Heute mal wieder etwas aus der Kategorie „Basteln mit dem Eigelb-Laden“.
Der Auftakt
Ein Nicht-IT-Kollege kam in den Fachbereich „Systemshavarie-Prävention“ (Gruß an Grauhut) und meinte, er hätte an dem angejahrten XP-Rechner (seufz) die Mainboard-Batterie getauscht, aber er würde immer noch Fehlermeldungen beim Start bringen.
Zunächst ist das normal, denn die Zeit am Mainboard hat sich durch den Batterietausch auf irgendein Datum weit in der Vergangenheit zurückgestellt. Das lässt sich leicht im BIOS ändern. Also habe ich das leicht staubige BIOS-Passwort rausgekramt und hurtig das Datum angepasst.
Ab dem nächsten Start war an dieser Stelle alles okilidokili.
Allerdings hatte XP keine Lust auf einen geregelten Arbeitstag und ließ sich mit dem Start Zeit. Genauer es hing an irgendeinem Vorgang während des Bootens noch vor dem Ladebalken. Der Bildschirm blieb schwarz und der Bootvorgang fand kein Ende mehr.
Jetzt ist diese Antiquität einer von zwei Spezialrechnern, die eine sehr, sehr alte AutoCAD-Lizenz für Elektroschaltpläne beherbergt. Eine ziemliche teuere Neuanschaffung einer aktuellen Version ist nicht geplant, aber der Wechsel zu einer konzernübergreifenden Lösung ist im Gang. Der Rechner kommt nicht mehr ins Internet und ist relativ selten an, dass es ein kalkuliertes Risiko ist, diese zwei Rechner weiter zu betreiben. Wegen diverser anderer Software würde eine Neuinstallation aufgrund des Alters aller beteiligter Software eine ziemliche Weile dauern.
Also habe ich den Rechner unter den Arm geklemmt und bin von dannen.
Reparatur-Versuche
Die nächste Stunde habe ich eine Windows XP-CD gesucht. Mein Plan war, zunächst von CD zu booten, um die Reparaturfunktion zu verwenden den Start mit „fixboot“ und „fixmbr“ wieder gerade zu ziehen.
Das lief auch gut an. Es kamen kurzfristig nostalgische Gefühle auf, als der blaue Installationsbildschirm ansprang und in der grauen Leiste unten am Bildschirm anzeigte, was gerade geladen wurde.
Bedauerlicherweise erschien nach ca. 3 min eine weitere nostalgische Erinnerung auf dem Plan. Ein bildschöner BSOD (Blue screen of death). Fehler: STOP: 0x0000007B (0xF78D2524, 0x0000034, 0x00000000, 0x00000000)
OK, leicht kann jeder.
Immerhin gab es einen Hinweis im Text, dass man doch besser mal ein „chkdsk /F“ über die Platte laufen lassen solle.
Somit habe ich nach dem Adapter gekramt und die Festplatte an meinem Rechner angeschlossen und eine Runde „chkdsk“ gespielt.
Da gleich zu Beginn eine enorme Anzahl an Fehlern bereinigt wurden, war ich vorsichtig optimistisch.
Die Überprüfung zog sich hin. So etwas nimmt man ja in Kauf, wenn die Probleme danach behoben sind.
Allein XP hat mich eines Besseren belehrt.
Es zeiht sich
So langsam hatte ich das Gefühl in der Abteilung „Palliative Systembetreuung und digitale Sterbebegleitung“ (auch hier Gruß an Grauhut) zu sein.
Im nächsten Versuch habe ich eine Windows 7-DVD gesucht und versucht damit die Startoptionen zu reparieren. Das lief auch so 1-2 Stunden, dass ich fast schon wieder wohlgestimmt war. Bis die Meldung kam, dass Windows hier nichts reparieren konnte.
Erstes Licht am Ende des Tunnels
Nun war es Zeit für meinen Telefon-Joker, der gleichzeitig Publikumsjoker und Zusatz-Joker ist. Mein Kollege, der so gut wie alles ad hoc aus dem Gedächtnis zieht, was vor meiner Zeit in der Firma jemals passiert ist.
Der schubste mich Richtung „ich bin nicht sicher, aber eventuell habe ich mal ein Image gezogen, nach dem Aufwand. Schau mal an Ort x“.
Bingo!
Sicherheitshalber habe ich die fünf Image-Teile mit über 20 GB auf eine USB-Festplatte kopiert. Über das Netz hatte ich in der Vergangenheit schon schlechte Erfahrungen gemacht. Und Wiederherstellung von lokal würde dann auch noch schneller gehen. Danach Acronis-Stick raus, Rechner gebootet, USB-Platte angestöppelt und den Restore-Assistenten aufgerufen.
Alles lief geschmeidig, bis zu Auswahl der Ziel-Festplatte. Da war alles ausgegraut.
Acronis ließ sich nicht zur Mitarbeit überreden. Das „Universal Restore“ war ebenso unkooperativ.
Da ich gerade einen Stapel älterer CAD-Workstations im Büro stehen habe, die deutlich potenter sind als die alte XP-Möhre, habe ich mir einen davon geschnappt und versucht das Image darüber auf die Original-Festplatte zu spielen.
Auch hier wieder: die relevanten Ziel-Festplatten waren ausgegraut. Nur die zweite Daten-SSD der Workstation war verfügbar.
Endspurt
Meine Überlegung waren ganz klar: XP und SSD ist mehr eine „Mission Impossible“, denn diese SSD war keine 2 Jahre alt, das Image fünf Jahre alt und XP schon aus der Wartung, als meine Kinder noch nicht auf der Welt waren. Doch vielleicht ließ sich das dann von der SSD auf die Original-Festplatte klonen?
Mangels weiterer Festplatten und anderer Optionen habe ich das Image auf die SSD gespielt.
Das war sogar ziemlich schnell fertig.
Aus reiner Abenteuerlust und wegen des geringen Aufwands vor dem Klonversuch war die SSD zügig an den XP-Rechner gesteckt.
Zu meiner Überraschung startete XP ohne Mucken in einer atemberaubenden Zeit.
Final habe ich noch die Anpassungen gemacht, die seit der Erstellung des Images gemacht wurden und den Rechner wieder aufgestellt.
Fazit
Anscheinend ist Windows XP egal, ob der Datenträger modern(er) ist, solange das BIOS und der Controller die Platte noch erkennen und die Treiber für den Controller im Image enthalten sind.
Alles in allem hatte ich drei Tage Spaß mit modernem Antiquariat und für 10 min das Gefühl der Beste in meiner Haut zu sein.